In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und Gemeinwohl zunehmend mehr als nur ein Schlagwort sind, gewinnen innovative Bewertungsansätze in der Landwirtschaft an Bedeutung. Die Arbeitsgruppe “Nachhaltigkeitsleistungen” des Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) hat in diesem Zusammenhang die NIK-Methode („Nachhaltigkeit integrieren und kalkulieren“) entwickelt. Die Methode liefert eine Möglichkeit, nachhaltige Leistungen messbar, vergleichbar und – nicht zuletzt – bezahlbar zu machen. Im folgenden Blogbeitrag stellen wir den Ansatz vor und zeigen auch auf, wie unsere Regionalwert-Leistungsrechnung hier ins Bild passt.
Nachhaltigkeit integrieren und kalkulieren
Hintergrund und Zielsetzung
Das NIK-Papier (KTBL, 2025) präsentiert ein Konzept, das darauf abzielt, “Nachhaltigkeit mithilfe von Preisen und Gütermengen in einem produktionsökonomischen Kontext abzubilden”. Die zentrale Idee besteht darin, gesellschaftlich gewünschte landwirtschaftliche Leistungen wie z.B. den Insektenschutz marktfähig zu machen, indem sie in quantifizierbare Güter übersetzt werden. Dadurch wird deutlich, welchen Beitrag landwirtschaftliche Betriebe in Bereichen wie Biodiversität, Klimaschutz, Tierwohl und sozialer Verantwortung leisten. Weiterhin können sich darauf aufbauend Honorierungsmechanismen entwickeln.
Vorgehensweise und Methodik
- Nachhaltigkeitsgüter, Indikatoren und Kennzahlen:
Anhand eines systematischen Prozesses werden zunächst relevante Nachhaltigkeitsgüter (z.B. “Insektenschutz”) definiert, für die dann einheitliche Indikatoren (z.B. “Anteil Blühflächen”) und Kennzahlen (z.B. “Größe der Blühflächen in ha”) hergeleitet werden. So können konkrete landwirtschaftliche Maßnahmen herangezogen und quantifiziert werden, welche auf die erwünschte Wirkung – hier im Beispiel den Insektenschutz – einzahlen. - Bewertungs- und Effektgrenzen:
Mithilfe einer definierten oberen und unteren Bewertungsgrenze (z.B. 0 % und 5 % Anteil Blühflächen) wird der ermittelte Indikatorwert in eine konkrete Menge an Nachhaltigkeitsgütern übersetzt, indem für die Bewertungsgrenzen Effektgrenzen eingeführt werden. Dieser beschreibt “wie viele Einheiten eines Nachhaltigkeitsgutes sich von einem Nachhaltigkeitsindikator je Produktionseinheit maximal (beim Erreichen der positiven Bewertungsgrenze) ableiten lassen”. So wird ermittelt, wie viel „Insektenschutz“ je Produktionseinheit tatsächlich produziert oder eingespart wird. - Monetarisierung:
Letztlich erfolgt die Umrechnung in betriebswirtschaftliche Größen: Produzierte oder verbrauchte Nachhaltigkeitsgüter werden mit einem Marktpreis verknüpft, sodass sich nachhaltig erbrachte Leistungen als monetärer Wert – als Nachhaltigkeitsleistung – darstellen lassen (z.B. 5 € pro Einheit Insektenschutz). So können landwirtschaftliche Praktiken, welche dem Gemeinwohl zugutekommen konkret in marktfähige Güter umgerechnet und honoriert werden.
Vorteile der NIK-Methode
- Innovative Förderansätze:
Durch die Monetarisierung nachhaltiger Leistungen können öffentliche Fördergelder zielgerichtet vergeben und der nachhaltige Umbau der Landwirtschaft gefördert werden. - Transparenz und Vergleichbarkeit:
Die Methode macht sichtbar, welche konkreten Leistungen in der Landwirtschaft erbracht werden, die über die Nahrungsmittelproduktion hinausgehen. - Grundlage für strategische Entscheidungen:
Betriebe erhalten eine objektivierte Datengrundlage, die zur internen Steuerung und externen Kommunikation genutzt werden kann – zum Beispiel im Rahmen von Berichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Recap: Die Regionalwert-Leistungsrechnung (RWLR) – Nachhaltigkeitsleistungen praxisnah messen
Konzept und Ziele
Unsere RWLR ist ein Bewertungssystem, das speziell auf die Erfassung und Darstellung nachhaltiger Leistungen und Gemeinwohlleistungen in der Landwirtschaft abzielt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kennzahlen, die meist nur den CO2 Fußabdruck oder die finanzielle Effizienz messen, bezieht die RWLR die gesamte Bandbreite an ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Aspekten mit ein. Dazu zählen etwa Bodenqualität, Klimaschutz, Biodiversität und Tierwohl – aber auch der Beitrag zu regionalen Wirtschaftskreisläufen.
Aufbau und Funktionsweise
- Mehrdimensionale Bewertung:
Mit über 400 Kennzahlen, die in 10 Kategorien zusammengefasst sind, bildet die RWLR ein umfassendes Bild der betrieblichen Nachhaltigkeitsleistung ab. - Anwendungsbreite:
Das System richtet sich nicht nur an landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch an Verarbeiter, Handelsunternehmen, Banken sowie politische Entscheidungsträger, die auf diese Daten angewiesen sind, um fundierte strategische Entscheidungen zu treffen. - Funktionen:
Unterschiedlichste statistische Auswertungen sowie Jahresvergleiche und Benchmarking ermöglichen ein umfassendes Bild sowie die gezielte Weiterentwicklung von Einzelbetrieben oder Gruppen wie z.B. Liefergemeinschaften.
Nutzen der RWLR
- Differenzierte Bewertung:
Landwirtschaftliche Betriebe sowie in der Lieferkette nachgelagerte Unternehmen erhalten eine praxisnahe und nachvollziehbare Darstellung nachhaltigkeitsrelevanter Leistungen, die zur internen Steuerung und zur externen Darstellung genutzt werden kann. - Transparenz in der Lieferkette:
Die Erfassung von Realdaten ermöglicht es, Nachhaltigkeitsaspekte für die gesamte Lieferkette sichtbar zu machen – ein entscheidender Faktor für die Kommunikation gegenüber Investoren, Banken und Konsumenten. - Grundlage für gezielte Förderungen:
Gemeinden, Förderinstitutionen, Verbände oder Verarbeiter können anhand der detaillierten Daten gezielt Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Praktiken ableiten und umsetzen. (Beispiele sind die Neumarkter Lammsbräu oder der R.E.G.E.N.-Fund)
Synergien: Kombinierter Mehrwert für Landwirtschaft und Gesellschaft
Während die NIK-Methode den theoretischen Rahmen für die Monetarisierung von Nachhaltigkeitsgütern schafft, liefert die RWLR bereits erprobte, praxisnahe Daten zur Bewertung nachhaltiger Leistungen. Methodisch sind sich beide sehr ähnlich. Für die Transformation der Landwirtschaft könnten sie sehr gut ineinandergreifen.
Durch die Umwandlung von Nachhaltigkeitsindikatoren (NIK) bzw. landwirtschaftlichen Maßnahmen (RWLR) in greifbare, monetäre Größen und die umfassende Erfassung ökologischer, sozialer und regionalökonomischer Leistungen entsteht eine Datengrundlage, die nicht nur zur internen Betriebssteuerung, sondern auch zur externen Kommunikation und gezielten Förderung nachhaltiger Praktiken genutzt werden kann. Unternehmen, politische Entscheidungsträger und andere Akteure erhalten so ein mächtiges Instrument, das den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft vorantreibt und den Weg in eine zukunftsfähige, ressourcenschonende und sozial verantwortliche Agrarwirtschaft ebnet.
Schlussendlich zeigt die NIK-Methode sowie auch die Regionalwert-Leistungsrechnung, dass die Landwirtschaft positive wie auch negative Effekte auf Umwelt, Gesellschaft und die Region haben kann. Durch Sichtbarmachung und Überführung in eine Marktfähigkeit können gesellschaftlich gewünschte Effekte gezielt gefördert werden. Ist diese Herangehensweise eines der fehlenden Puzzleteile, um die Landwirtschaft tatsächlich zu transformieren?
Quellen: KTBL (2025): „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen – die NIK-Methode“