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Nachhaltigkeitsgüter im Dialog aushandeln

von Christian Hiß

Für die Landwirtschaft braucht es neue ökonomische Rahmen- und Regelwerke, um ihr Wirtschaften mit den natürlichen und sozioökonomischen Ressourcen nachhaltiger auszurichten. Die Notwendigkeit folgt aus den zahlreichen betriebs- und volkswirtschaftlichen Risiken und Verlusten, die sich durch das bisherige Wirtschaftsverständnis und der mit ihm verbundenen betriebs- und marktwirtschaftlichen Erfolgs- und Effizienzrechnung ergeben. Um die Nahrungsmittelversorgung langfristig zu sichern, muss so gewirtschaftet werden, dass die Funktionstüchtigkeit der Ökosysteme und Gemeingüter, wie die biologische und genetische Vielfalt, die Bodenfruchtbarkeit, das Klima und das Wasser, das Fachwissen und vieles mehr als Produktionsgrundlagen nachhaltend erhalten und negative externe Effekte auf sie vermieden werden [1].

Doch wer gibt die Kriterien für das zukünftige Wirtschaften und dessen Erfolg vor? Wer entscheidet welches die wichtigsten Ökosysteme und Gemeingüter sind, die in Betracht gezogen werden müssen? Wer besitzt die fachliche und gesellschaftliche Autorität und die Souveränität die nötigen Entscheidungen zu treffen und Standards zu setzen?

Stellt man diese Fragen, dann werden meistens die Wissenschaft als verantwortliche Instanz für die verlässliche Wertbestimmung für nachhaltige Landwirtschaft und nachfolgend die Politik und die Gesetzgebung genannt. Die Wissenschaft soll mit wissenschaftlichen Methoden ermitteln, wie mit den Ökosystemen und Gemeingütern gewirtschaftet werden muss und die Politik soll diese dann in Standards, Gesetze und Verordnungen übertragen.

Angesichts der Komplexität der Herausforderungen drängt sich unmittelbar die Frage auf, von welcher Wissenschaft gesprochen wird. Ist vielleicht die Naturwissenschaft mit ihren vielen unterschiedlichen Disziplinen gemeint? Oder die Gesellschaftswissenschaften, zu denen auch die Wirtschaftswissenschaften gehören oder gar die Humanwissenschaften mit ihren Aspekten zur menschlichen Gesundheit und der Verhaltenspsychologie? Zuletzt könnten noch die Politik- und Kulturwissenschaften und die Philosophie mit ihren ethischen Gesichtspunkten ihren Beitrag leisten.

Aber, selbst wenn man alle relevanten wissenschaftlichen Disziplinen unter einen Hut bekäme und sie eine Regulatorik an Kriterien, Grenzwerten und Zielwerten hervorbringen würden, wäre es für die Gesunderhaltung der Ökosysteme, wie Klima, Wasser und Biodiversität sicherlich zu spät, weil zu viel Zeit vergangen ist und viele Schäden irreparabel geworden sind bis verlässliche Forschungsergebnisse in der erforderlichen Komplexität vorliegen. Und wahrscheinlich braucht es dann schon wieder neue Studien für neue Zielwerte, weil sich die ökologische Situation schon wieder weiter verändert hat und die vorigen Annahmen der Wissenschaft nicht mehr haltbar sind. Wir kennen das Drama aus der Klimaforschung und der schleppenden Umsetzung des Wissens ins Handeln und bekanntermaßen sind auch der Politik Grenzen gesetzt.

Es ist längst analysiert, dass wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem haben [2]. Kurzum, eine durch die Wissenschaft und Politik abstrakt vorgegebene Standardsetzung für nachhaltige Landwirtschaft wird aus verschiedenen Gründen scheitern, bzw. ist in den letzten Jahren schon gescheitert.

Dennoch, die Zeit drängt, ein Aufschieben der fälligen Korrekturen geht nicht mehr, dafür sind die multiplen Krisen zu massiv in ihren Auswirkungen. Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen schnell Klarheit darüber, wie sie aus Sicht der Gesellschaft ihre Betriebe führen sollen und wie ihre Leistungen für den Erhalt der Gemeingüter vergütet werden können. Pauschale gesellschaftliche Forderungen an die Landwirtschaft, ihre betriebliche Praxis zu ändern, bei gleichzeitiger Ignoranz ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse, führen nicht weiter.

Wie also vorgehen?

Dialogische Prozesse und Nachhaltigkeitsgüter

Ausgelöst durch die Proteste der Bauern für mehr Wertschätzung und weniger Bürokratie, sowie vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, Leitbilder, Leitplanken, Maßnahmenkataloge und Zielwerte für die Landwirtschaft zu ermitteln, wurde in den vergangenen Jahren mit den regionalen, nationalen und internationalen Dialogprozessen zur Zukunft der Landwirtschaft eine zukunftsweisende Praxis begonnen, die unter allen Umständen beibehalten, fortgeführt und als bestimmende fachliche und gesellschaftliche Autorität für die Erstellung der Kriterien und Rahmenwerke für die zukünftige Land- und Ernährungswirtschaft dauerhaft etabliert und verstetigt werden muss.

Neben vielen regionalen Dialogen seien hier die Zukunftskommission Landwirtschaft auf nationaler Ebene [3], der EU-Strategiedialog [4] und die Agrardialoge in Schleswig-Holstein [5] und in Baden-Württemberg [6] als besonders gelungene und hoffnungsvolle Beispiele stellvertretend genannt. Die jeweiligen Abschlussberichte sind lesenswert.

Die dialogische Herangehensweise an die Herausforderung ist deshalb zeitgemäß, weil sie auf Beteiligung der Praktikerinnen und Praktiker und der diversen Anspruchsgruppen an die Landwirtschaft setzt. Sie geht vom mündigen, kompromissbereiten und dialogfähigen Menschen aus, sie nimmt ihn ernst und spricht ihm den Willen und die Vernunft zu, die es braucht, um zu sinnvollen und praktikablen Vereinbarungen und Kriterien zu kommen. Das gilt in aller erster Linie für die Landwirtinnen und Landwirte, die mehr Wertschätzung und Respekt für ihre Arbeit erwarten, aber auch bereit sind zu lernen. Für die Menschen, die nicht in der Landwirtschaft arbeiten und an den Dialogen teilnehmen, bietet es die Chance mehr über die Zusammenhänge zwischen der Nahrungsmittelproduktion und den Funktionen der Gemeingüter zu lernen. Im Dialog, sofern man ihn als solchen ernst nimmt, ist man gezwungen, zu den Bedingungen der Landwirtschaft realistische Bilder zu entwickeln zu den Bedingungen in der Landwirtschaft. Die oft pauschale Forderung nach mehr Regionalität und Nachhaltigkeit wird detaillierter und substanzieller, es entsteht echte Wertschätzung gegenüber den Nahrungsmitteln und ihrer Produzenten.

Dass in diesen Aushandlungsprozessen Erkenntnisse aus allen relevanten Disziplinen der Wissenschaft eine wichtige Rolle spielen und sie wesentliche Aspekte beizutragen haben, steht außer Frage. Wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen einen mündigen Dialog erst und bilden daher die Grundlage für einen erfolgreichen Prozess. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen müssen Teil des Dialogs sein und können sogar eine führende Rolle einnehmen. Doch das Erfahrungswissen der Praktikerinnen und Praktiker und ihre Interessen müssen auf Augenhöhe einbezogen werden. Denn jede betriebliche Maßnahme zur Regeneration der Gemeingüter und Ökosysteme erzeugt Aufwand und Kosten. Darüber hinaus ist es eine Frage des Respekts, Landwirte an der Frage, wie sie ihren Betrieb führen sollen und an der Entwicklung eines gesellschaftlich akzeptierten Idealbildes der Landwirtschaft zu beteiligen. Die Akzeptanz der daraus abgeleiteten Maßnahmen hängt entscheidend von dieser Partizipation ab. Auch die Wertbildung als Grundlage für die Monetarisierung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft muss unter Partizipation der Praktiker geschehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass nachhaltige Landwirtschaft betriebswirtschaftlich rentabel ist und nachhaltige Maßnahmen überhaupt erbracht werden. Werden keine Maßnahmen erbracht, entstehen negative Effekte auf die Betriebsvermögen und auf die Gemeingüter.

Um dies zu verhindern, müssen betriebliche Maßnahmen in Produktionseinheiten überführt und als Nachhaltigkeitsgüter ausgewiesen werden, um sie betriebswirtschaftlich aufzuwerten und sie bezahlbar zu machen. Für das klimaschädliche CO2 ist der Schritt schon gelungen. Die Emission und Reduktion von Kohlendioxid werden in Tonnen gemessen und der Einheit ein Preis zugeschrieben.

Die Arbeitsgruppe Nachhaltige Betriebswirtschaft des Kuratoriums Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft KTBL hat eine betriebswirtschaftliche Methodik entwickelt, wie Nachhaltigkeitsgüter definiert, gemessen und operationalisiert werden können. In dem Grundsatzartikel [7] der Anfang 2025 veröffentlicht wurde, werden keine finanziellen Werte genannt, denn der Preis der einzelnen Produktionseinheiten zu Nachhaltigkeitsgütern kann nicht universell festgelegt werden, er muss zwischen den Beteiligten am jeweiligen Ort ausgehandelt werden. Dafür sind die begonnenen Agrardialoge der geeignete Raum.

Verfassung der Allmende  

Die Agrardialoge knüpfen an die herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom an, die für ihre jahrzehntelange Forschung zur Verfassung der Allmende im Jahr 2009 als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Ostrom habe gezeigt, „wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann“, heißt es in der Würdigung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften [8]. Wohlgemerkt erhält eine Politikwissenschaftlerin den Nobelpreis für Wirtschaft! Das kommt nicht von ungefähr, denn die Wirtschaftswissenschaften sind in den Gesellschaftswissenschaften angesiedelt.

Ostroms Forschung befasste sich mit der Frage, wie sich Menschen organisieren, um gemeinschaftlich komplexe Probleme bei der Bewirtschaftung der Commons (zu Deutsch Gemeingüter), zu lösen. Sie analysierte, wie institutionelle Regeln sich auf Handlungen von Individuen auswirken, die bestimmten Anreizen ausgesetzt sind, Entscheidungen treffen (müssen), und sich zudem noch gegenseitig beeinflussen, und sie zeigte praktikable, gerechte und effiziente Lösungen für diese Probleme auf [9].

Elinor Ostrom hat auf fast allen Erdteilen Forschungen zu Allmendewirtschaft durchgeführt und einige unterschiedliche Methoden der Aushandlung, der Prinzipien der praktischen Umsetzung des Ausgehandelten und deren Kontrolle im Wirtschaften mit den Commons, wie Luft, Wasser, biologische Vielfalt, Wissen und vieles mehr beschrieben. Es lohnt sich im Zusammenhang mit den Agrardialogen die Arbeiten Ostroms zu lesen und von ihnen zu lernen.

Regionalwert AG und ihre Gemeinwohlleistungsrechnung

Elinor Ostroms Forschungen und Veröffentlichungen haben die Entwicklung der Regionalwert AG und der Regionalwert Leistungsrechnung von Beginn an in gewisser Weise beeinflusst. Ihre Arbeiten waren den Akteuren schon früh bekannt. Anfang der 2000er Jahre diskutierte eine Gruppe von meist über einhundert Menschen, zusammengesetzt aus der Gemeindeverwaltung, Einwohnern aus dem Dorf, dem Umland und aus der Stadt in Eichstetten am Kaiserstuhl im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur im Gewächshaus“ in einigen Runden die Kernfrage „Welche Landwirtschaft wollen wir?“.

Um den Dialog schließlich zu verstetigen, zu konkretisieren und die Ergebnisse in praktisches Handeln umzusetzen, wurden geeignete Formen und Instrumente gesucht und mit der Bürgeraktiengesellschaft als Gesellschaftsform gefunden. Ziel und Zweck des zivilgesellschaftlichen Unternehmens war und ist bis heute, einen regionalen Wertschöpfungsraum unter Beteiligung landwirtschaftlicher Betriebe und Unternehmen aller weiteren Wertschöpfungsstufen in Kooperation mit der regionalen Gesellschaft aufzubauen. Betriebe aller Wertschöpfungsstufen vom Acker bis auf den Teller sollen früher oder später darin enthalten sein. Sie arbeiten zwar unternehmerisch selbständig, sind aber miteinander vernetzt und bilden durch ihre Zusammenarbeit einen resilienten Wirtschaftsorganismus.

Die Beteiligung an der Bürgeraktiengesellschaft steht allen offen, die Ziele und die Regeln werden in den Beteiligungsprospekten beschrieben. So soll im Laufe der Zeit im Dialog und der Kooperation zwischen Land- und Ernährungswirtschaft, Wirtschaft und Gesellschaft eine regionale resiliente Versorgungsökonomie entstehen, in der die Ökosysteme und Gemeingüter als Grundlage des Wirtschaftens erhalten und aufgebaut werden. 

Bei der Gründung der Regionalwert AG Freiburg im Jahre 2006 wurde in deren Geschäftszweck deshalb auch satzungsgemäß verankert, dass die sozialen und ökologischen Leistungen der Betriebe, in die die Bürgeraktiengesellschaft investiert, als Information offengelegt werden müssen. Die Betriebe an der sich die Regionalwert AG finanziell beteiligt, wurden per Vertrag aufgefordert, soziale und ökologische Leistungen zum Schutz der Ökosysteme und Gemeingüter zu erbringen und jährlich darüber zu berichten. Auf dieser unternehmerischen Basis fand und findet ein permanenter Aushandlungsprozess statt, er wurde sozusagen institutionalisiert und konkretisiert.

Die ersten 63 ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Indikatoren, nach denen berichtet werden musste, wurden 2008 in einem Projekt unter wissenschaftlicher Leitung des imug Institutes aus Hannover entwickelt. Anhand der Indikatoren wurde der jährliche sozial-ökologische Bericht an die Hauptversammlung als Ergänzung zur gewöhnlichen Bilanz der Aktiengesellschaft erstellt. Die Investoren hatten damit zwei Vermögensrechnungen vor sich liegen, über die sie in der Hauptversammlung abstimmen mussten, die gewöhnliche Bilanz und die Gemeinwohlleistungsbilanz.

Aus dieser zunächst qualitativ-quantitativen Berichterstattung, die schon sehr detailliert war und circa 50 Seiten umfasste, entstand im Laufe der Jahre die heutige Regionalwert Leistungsrechnung mit ca. 500 Leistungskennzahlen, mit denen die ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe unterschiedlicher Betriebszweige gemessen und bewertet werden [10].  

Ab 2015 wurde damit begonnen, die Indikatoren einer Nachhaltigkeitsbewertung und einer Monetarisierung zu unterziehen. Der Schritt in die Monetarisierung wurde notwendig, da die qualitative Berichterstattung für die tatsächliche Vergütung der Leistungen nicht mehr ausreichte, weil einerseits der finanzielle Transfer aus dem Bürgerkapital in die Betriebe durch die Verlustübernahme für viele nicht nachvollziehbar war und andererseits den Betrieben der finanzielle Ausgleich nicht ausreichte, um langfristig die Leistungen zu erbringen.

Die einzelnen Kennzahlen, Grenzwerte und Preise für die Bereitstellung von Maßnahmen wurden in einem umfangreichen dialogischen Prozess mit beteiligten Landwirten, Wissenschaftlern und Bürgerinnen und Bürger in einem dialogischen Wertbildungsprozess diskutiert und schließlich festlegt [11].

Mit der Gemeinwohlleistungsrechnung können die landwirtschaftlichen Betriebe nun ihre Aufwendungen und Investitionen in die Gemeingüter monetär nachweisen. Damit ist ein wichtiger Schritt geschafft, um über eine konkrete Vergütung der Schaffung positiver externer Effekte und damit gleichzeitig der Vermeidung negativer Effekte verhandeln zu können. Perspektivisch wird es so sein, dass wenn die Maßnahmen und Leistungen der Betriebe bezahlt werden, sie auch finanziell auskömmlich wirtschaften und gleichzeitig die Gemeingüter erhalten und schützen können.

Dialog vervielfachen und konkretisieren

Agrardialoge müssen an vielen Orten, in Kommunen, Regionen und Ländern begonnen und schließlich verstetigt werden. Denn die regionalen Bedingungen sind in Bezug auf Ökologie, Klima und Sozioökonomie unterschiedlich. Die dabei ausgehandelten Nachhaltigkeitsziele müssen in konkrete Absprachen umgesetzt werden, so dass sie nicht in allgemeinen Absichtserklärungen stecken bleiben. Dazu kann die Vorarbeit, das methodische Wissen und die erarbeitete Metrik an Leistungskennzahlen der Regionalwert-Leistungsrechnung als Vorlage dienen. Ihre Grenzwerte und Monetarisierung müssen dabei jeweils für den Ort und dessen ökologischen und sozioökonomischen Bedingungen immer neu verhandelt werden.

Die Methode und die Technik der Regionalwert Leistungsrechnung werden mittlerweile über die Regionalwert AG hinaus, auch schon in anderen Ländern und Sprachen eingesetzt. Auf der Basis der vorhandenen 500 Leistungskennzahlen werden mit Hilfestellung der Regionalwert Mitarbeiter Dialogworkshops veranstaltet, in denen die Beteiligten die Grenzwerte und die Monetarisierungsansätze auf die jeweiligen Bedingungen anpassen, um sie dann in ihrem Land, ihrer Region oder ihrer Gruppe anzuwenden. Auf diese Weise entstehen immer neue Varianten der Gemeinwohlleistungsrechnung mit teils unterschiedlichen aber an die jeweiligen Verhältnisse angepassten Werten. Das Rahmenwerk bleibt das Gleiche, nur der Inhalt wird spezifiziert. Die Technik ähnelt der klassischen Buchhaltung, bei der ein Kontenrahmen vorgegeben ist, aber der spezifische Kontenplan für die jeweilige Situation daraus individuell erstellt wird.

Der interessante und letztlich zur Bewusstseinsbildung und breiten Akzeptanz entscheidende Vorgang ist der konkrete Aushandlungsprozess, der Dialog unter den Beteiligten. Leitend für den Prozess fungieren die Fragen: „Wie ist unser gemeinsames Idealbild vom landwirtschaftlichen Wirtschaften in unserer Region? Nach welchen Kriterien sollen die Maßnahmen zur Regeneration der Ökosysteme und Gemeingüter bewertet und gewichtet werden? Welchen Preis geben wir einzelnen Maßnahmen?“

Stehen die Leistungskennzahlen, die Werte für nachhaltiges Wirtschaften und die für die betrieblichen Maßnahmen veranschlagten Preise für die Leistungen zum Schutz der Gemeingüter fest, können sie als neue Variante in die SAMP-Datenbank übertragen und angewendet werden. 

Das skalierbare Sustainable Accounting Management Programm SAMP ist eine Art Buchhaltungs- und Bilanzierungssystem das multivariantenfähig ist und sich bereits hundertfach in der Praxis bewährt hat. Die Landwirtinnen und Landwirte geben online ihre Daten in die Datenbank ein und erhalten nach Abschluss direkt ihr Ergebnisdokument zugestellt. Teilweise können die Daten automatisch aus vorhandenen Betriebsdokumenten, wie der klassischen Buchhaltung übernommen werden. Die Datenbank erstellt automatisiert Gesamtauswertungen über bestimmte Gruppen.

SAMP kann unbegrenzt viele Varianten der Gemeinwohlleistungsrechnung in unterschiedlichen Sprachen aufnehmen. Das Instrument ist damit geeignet, die oben angesprochenen Dialoge zur Zukunft der Landwirtschaft an vielen Orten mit unterschiedlich großen Gruppen und ihren Räumen, Unternehmen, Verbänden und Kommunen technisch und fachlich zu unterstützen [12].

Anreizsysteme entwickeln

Eine Vereinbarung macht nur Sinn, wenn sie konkrete Konsequenzen hat. Wird in den Agrardialogen vereinbart, dass die Landwirtschaft die Gemeingüter und Ökosysteme schützen und erhalten soll, dann müssen den Betrieben, die Leistungen erbringen, diese auch finanziell vergütet werden. Ohne eine Bezahlung können die Betriebe die geforderten Leistungen nicht bereitstellen. Nachhaltigkeitsgüter wie Bodenfruchtbarkeit oder Insektenschutz müssen zu Produkten eines landwirtschaftlichen Betriebes werden, wie es Lebensmittel bereits sind. Die Agrardialoge sind der geeignete Rahmen, in dem die Maßnahmen und ihre Preise analog zu Lebensmittelpreisen ausgehandelt werden können. Sie haben zunächst den Charakter von unverbindlichen Preisempfehlungen, die aber Richtwerte sein können für konkrete Kaufentscheidungen.

Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ist eine bekannte und oft genannte politische Metapher. Dazu gibt es einige Pilotprojekte, die sich auf dem Weg befinden, den Betrieben ihre Gemeinwohlleistungen zu bezahlen. Die neue EU-Agrarpolitik und auch die neue Bundesregierung beabsichtigen mehr Anreizsysteme für die Landwirtschaft zu entwickeln, statt zu regulieren. Dazu würden sich Agrardialoge sehr eignen, die Methode und die Technik, um die Leistungen monetär auszuhandeln und zu beziffern stehen bereit, daran kann und darf der begonnene und hoffnungsvolle Weg aus dialogischen Prozessen heraus die Zukunft der Landwirtschaft gemeinschaftlich zu gestalten nicht scheitern.


[1] https://www.agrarzeitung.de/nachrichten/wirtschaft/externalitaeten-in-der-landwirtschaft-einkommen-muessen-fairer-werden-150359

[2] https://clubofrome.de/news/wir-haben-kein-erkenntnisproblem-sondern-ein-umsetzungsproblem/

[3] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/135-zkl.html

[4] https://agriculture.ec.europa.eu/overview-vision-agriculture-food/main-initiatives-strategic-dialogue-future-eu-agriculture_de

[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/L/landwirtschaft/dialogprozess_zukunft_der_landwirtschaft

[6] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/unsere-strategiedialoge/strategiedialog-landwirtschaft

[7] https://www.ktbl.de/fileadmin/user_upload/Artikel/Nachhaltigkeit/12652_NIK.pdf

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom

[9] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33204/elinor-ostrom-und-die-wiederentdeckung-der-allmende/

[10] https://www.regionalwert-leistungen.de/leistungsrechnung/

[11] https://www.regionalwert-leistungen.de/wp-content/uploads/2025/01/20241209_Monetarisierung-RWLR.pdf

[12] https://www.regionalwert-leistungen.de/blog/2025/02/samp-jetzt-eigenstaendig-und-markenfrei-nutzbar/